Martin Lubenov beim Unterfahrt-Akkordeonfestival
"Wir spielen jetzt ein Hochzeitslied. Kollegen haben Pause ein bisschen", meint Martin Lubenov. Es folgt der Ausflug zu den Ursprüngen, gemeinsam mit dem Klarinettisten Krasimir Malakov in die für Mitteleuropäer rätselhaften rhythmischen und motivischen Gefilde bulgarischer Volksmusik. Dann stilistisch wieder zurück in seiner Wahlheimat Wien, verbindet der Akkordeonist mit seinem sechsköpfigen "Orkestar" das globale künstlerische Einflussgemenge zum genussvollen Ineinander der Höreindrücke. Er pflegt die Fusion der Gegensätze, nicht aus Prinzip oder intellektueller Spielerei, sondern aus Neugier dem akustischen Resultat gegenüber. Eine wichtige Vorgabe ist der unterhaltsame Aspekt, denn jede Musik ist im Kern nur so gut wie ihre Fähigkeit, die Menschen körperlich wie geistig zu bewegen. Lubenovs Hybride integriert in der Unterfahrt daher den Reggae-Offbeat ebenso wie den Musette-Walzer, den Funk der Vorstädte wie den Swing der Wohnwägen in einen ethnojazzigen Rahmen ohne normativen Anspruch.
Ungewöhnlich ist dabei nicht die Mischung an sich, sondern die Selbstverständlichkeit, mit der das balkanfundierte Ensemble die Elemente der internationalen jazzpoprockigen Entertainmentkultur adaptiert und für seine künstlerischen Zwecke nutzbar macht. Das wirkt in cleverer Form natürlich, ebenso wie Lubenovs hurtige und hektische Motive am Tastenakkordeon. Und das wiederum macht einen großen Unterschied zu den zahlreichen Nobilitierungen der Akkordeons in den vergangenen Jahrzehnten, die das Konzertante und Hochkulturelle betonen. Insofern war Lubenovs Konzert ein richtungsweisender Start für das "D"accord!"-Festival in der Unterfahrt, das bis zum 29. November überwiegend unterhaltsame Spielarten des Akkordeons von Israel bis Brasilien und Norwegen bis Argentinien auf die Bühne bringen wird.
RALF DOMBROWSKI
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG